Hmm wie wärs hiermit ^^
Erdogan will türkische Unis und Schulen in Deutschland
Ministerpräsident diskutiert zusammen mit Angela Merkel und türkischen Schülern im Kanzleramt
Berlin -
Leicht nervös blickte der Protokollchef des Bundeskanzleramts auf die Szenerie. 300 überwiegend türkische Jugendliche von sechs Berliner Gymnasien, Haupt- und Realschulen hatte die Bundeskanzlerin eingeladen, mit ihr und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan einmal über alles zu reden. Kichernd, mit Kopftüchern und ohne, mit Stöckelschuhen, langen Wimpern oder Irokesenschnitten, Kaugummi kauend, mit Hautproblemen, Errötungsanfällen und was sonst so dazugehört, wenn man 17 ist, überfluteten sie für zwei Stunden das hohe Haus an der Spree. So etwas kann leicht schiefgehen, so wie auch die Versammlung vor dem Brandhaus in Ludwigshafen am Donnerstag leicht hätte schiefgehen können. Aber wie am Donnerstag endete auch hier die Begegnung in einem erleichterten Schlussapplaus: Ist ja noch mal gut gegangen.
Die Kanzlerin eröffnete mit der Aufforderung zu einer Schweigeminute im Stehen, für die Opfer von Ludwigshafen und ihre Angehörigen - wodurch sie die Versammlung schon halb auf ihrer Seite hatte. Auf dem Podium durften ihr und dem Ministerpräsidenten dann ein paar sehr liebe Schüler und Schülerinnen verschiedenster Berliner Schulen (jeweils bejohlt von ihren Klassenkameraden im Auditorium) Fragen stellen. Im Grunde liefen sie alle auf eines hinaus. "Frau Bundeskanzlerin, was tun Sie für uns?"
Aber so will die Kanzlerin den Integrationsprozess nicht verstanden wissen. Nicht alles könne der Staat erledigen. Für das Problem, dass viele türkische Kinder weder die eine noch die andere Sprache richtig könnten, seien zuallererst einmal die Eltern zuständig. An dieser Stelle grätschte der türkische Ministerpräsident mit seiner Lieblingsidee dazwischen, dem Bau einer türkischen Universität und der Gründung türkischer Gymnasien. Die Türkei sei bereit, Lehrer an deutsche Schulen zu entsenden. Merkel reagierte verhalten auf den Vorstoß. Sie sagte Erdogan aber eine rasche Untersuchung des Brandes zu, bei dem am vergangenen Sonntag neun Menschen getötet und 60 verletzt worden waren.
Erdogans Credo lautet "Ja zur Integration, Nein zur Assimilation". Was er damit meint, ist klar, und es entsprach dem Geist der deutschen Integrationspolitik, wie sie über lange Jahrzehnte praktiziert wurde: Hauptsache, die eigene Identität wird gepflegt und erhalten.
Aber die Tage dieser Philosophie sind gezählt. Es gehört zu den Neuerungen der von der Union konzipierten Integrationspolitik, dass diese Maxime - letztlich ein Resultat des schlechten deutschen Gewissens - nicht mehr existiert.
Die Schüler versuchten es noch einige Male. "Ich werde immer so komisch angeguckt", "Ich gehöre nicht dazu", "Man grenzt mich aus". Merkel entgegnete darauf zum Erstaunen der Schüler, auch sie selbst sei eine Außenseiterin gewesen und habe komische Fragen gestellt bekommen. Viele hätten nichts über die DDR gewusst. "Habt ihr da überhaupt was gelernt?", habe man sie gefragt, oder: "Konntet ihr da überhaupt lachen?" Es sei ihr schon klar, dass es zum Teil schwierig sei, zwischen zwei Welten zu stehen, die einem beide nicht so recht gehörten. Aber eine Chance sei es eben auch: "Ihr könnt doch stolz sein, ihr seid etwas Besonderes. Ihr habt tolle Eltern! Ihr könnt einfach an euch glauben!" Nicht jammern, weitermachen. Das gab Szenenapplaus.
Am Rande dieser ungewöhnlichen Veranstaltung wurde auch der neue türkische Botschafter vorgestellt: Ahmet Acet, der frühere Generalsekretär für EU-Angelegenheiten in der Staatskanzlei des Ministerpräsidenten. Acet gilt, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Mehmet Irtemcelik, als offener, Deutschland zugetaner Diplomat.
Seine Ernennung fügt sich in die Reihe freundlicherer Signale, in die sich auch Erdogans Auftritt vor dem Brandhaus in Ludwigshafen oder der deutsch-türkische Leitartikel in der "Bild"-Zeitung einreihen.
Davor hatte es allerdings auch eine ganze Reihe unfreundlicher - deutsche Beamte sagen sogar "unverschämter" Signale aus der Türkei gegeben. Nicht nur waren sowohl die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer als auch der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei ihren Türkei-Besuchen mit heftigen Vorwürfen empfangen worden: Das neue Zuwanderungsrecht, das von Familiennachzüglern minimale Sprachkenntnisse verlangt, sei rassistisch, die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft ebenso, und für den hessischen Wahlkampf sollten sich die beiden Politiker auch gleich noch verantworten. Zudem hatte die türkische Presse in den vergangenen Tagen aus vollen Rohren gefeuert. "Wieder verbrennen sie uns!", lautete eine der Überschriften in der Tageszeitung "Türkiye". Auf Plakaten während der Veranstaltung am Danziger Platz stand "Gestern die Juden, heute die Türken" oder "Hitler war nicht allein, Koch ist es auch nicht". Auf diese Stimmen nahm Tayyip Erdogan Bezug, als er in seiner Rede im Kanzleramt sagte, die Medien sollten den Prozess der Integration unterstützen. "Wenn sie das nicht tun, wird die Zukunft auf Hass aufgebaut", sagte der türkische Ministerpräsident. In Ludwigshafen wurden oft falsche Schlussfolgerungen gezogen. "Wir dürfen nicht in diese Falle tappen!"
Das offene, unvorbereitete Gespräch vor Publikum ist Erdogans Sache nicht. Zwei Mädchen mit Kopftuch unterhielten sich nachher auf der Straße vor dem Kanzleramt, die Bundeskanzlerin sei ja ganz in Ordnung gewesen, "ganz gut eigentlich". Aber Erdogan? "Der hatte doch nur etwas auswendig gelernt. Das kann ich auch!"
Quelle
http://www.welt.deUm die Integration der in Deutschland lebenden Türken zu verbessern, hat sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan für den verstärkten Einsatz von türkischen Lehrern ausgesprochen. Die Brandkatastrophe in Ludwigshafen bezeichnete er als "tragischen Vorfall".
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat vorgeschlagen, für eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Türken verstärkt türkische Lehrer an deutschen Schulen einzusetzen. Auch über die Gründung eigener Gymnasien in Deutschland, die nur in Türkisch unterrichten, solle nachgedacht werden, sagte er bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Der Ministerpräsident, der am Vortag die Brandruine in Ludwigshafen besucht hatte, zeigte sich fest davon überzeugt, dass der "tragische Vorfall" die engen deutsch-türkischen Beziehungen nicht beschädigen wird. Wenn die Ursache feststehe, werde dies "sowohl die Türken als auch die deutsche Gesellschaft aufatmen lassen", sagte Erdogan. Er dankte Polizei und Feuerwehr in Ludwigshafen erneut für ihren Einsatz. Zu Beginn einer Diskussion mit türkischen und deutschen Jugendlichen im Kanzleramt gedachten beide Regierungschefs in einer Schweigeminute der Opfer des Brandkatastrophe.
Ludwigshafen in Trauer
Merkel noch nicht überzeugt
Sein Land sei bereit, für Bildungseinrichtungen in Deutschland eigens geschultes türkisches Lehrpersonal zur Verfügung zu stellen. "Es wäre ein Fehler, dies zu verhindern", sagte der Regierungschef. Er verwies darauf, dass es in der Türkei mehrere deutsche Schulen gebe und derzeit eine Universität gebaut werde, in der in Deutsch unterrichtet werden soll. Merkel reagierte zurückhaltend auf den Vorschlag. Die Arbeit türkischer Lehrer an deutschen Schulen stelle sie sich "schwierig vor". Etwas anderes sei der Einsatz von Sozialpädagogen, die sich speziell um Migrantenkinder kümmern könnten.
Merkel hat der Türkei unterdessen eine entschlossene Suche nach den Ursachen der Brandkatastrophe zugesichert. Es werde "mit Hochdruck" daran gearbeitet, sagte sie. "Wir werden in Deutschland alles dafür tun, damit diese Brandkatastrophe so schnell wie möglich aufgeklärt wird", kündigte Merkel an.
Beim Streitthema EU sicherte Merkel Erdogan die Fortsetzung des Verhandlungsprozesses über eine spätere Vollmitgliedschaft zu. Trotz der Vorbehalte von CDU und CSU werde an dem Grundsatz festgehalten, dass einmal eingegangene Verträge auch erfüllt würden. Sie bestätigte, dass es Überlegungen für ein Dreier-Treffen zwischen ihr, Erdogan und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gibt. Nach Merkels Worten hat die bevorstehende Lockerung des Kopftuch-Verbots in der Türkei keine Konsequenzen für die Beitrittsverhandlungen mit Ankara.
Erdogan appellierte an deutsche Unternehmen, sich an den Ausschreibungen für den Bau neuer türkischer Kernkraftwerke zu beteiligen. Er regte eine engere Zusammenarbeit in der Energiepolitik an.
http://www.stern.de